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Mariukin Igor
Die Schaukel

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Igor Mariukin

(deutsch von Claus Fritzsche)

  

Die Schaukel

  
   Der erste Eindruck - müde, unstete Augen der Umstehenden gleiten über dich hinweg, und jeder hängt seinen Gedanken nach. Entdeckungen folgen auf jedem Schritt. Da ist ein seltsamer Staub, ganz ungewohnt, der bei trockenem Wetter durch alle denkbaren und nicht denkbaren Ritzen dringt und sich bei Regen in einen unvorstellbaren Schlamm verwandelt, dessen Klebkraft nur noch mit einem guten Zement vergleichen lässt.
   Es wird nicht geschossen. Aber die Empfindung, dass ich nun HIER bin, hängt wie eine gespenstische Spannung in der Luft. Die Zeigt sich unterbewusst und wird ohne Wertung ihrer Bestandteile wahrgenommen. Es erweist sich, dass ein vorbei fahrenden Panzer mehr mit dem Tastsinn als mit dem Gehör wahrgenommen wird. Der ganze Körper empfängt die von ihm erzeugten Erschütterungen des Bodens und der Luft. Und die MPi geschultert, zum ersten mal im Zustand "geladen und gesichert", erzeugt ein Gefühl der Ruhe und Allmächtigkeit.
   In der Ferne ein Feuerstoß. Noch einer und noch einer. Die erste Angst. Ich ziehe den Kopf bis zu den Ohren zwischen die Schultern. Sich jetzt auf den Boden fallen lassen oder in irgend eine Grube kriechen. Die anderen um mich herum zwinkern nicht einmal mit den Augen, drehen den Kopf nicht in die Richtung der Schießerei, setzen ihr Gespräch fort und stochern mit ihren Seitengewehren in Konservendosen herum. Ich versuche; den Anschein zu erwecken, dass mir auch alles "egal" ist, doch die Rückenmuskeln verkrampfen sich ungewollt bei jedem Feuerstoß.
   Die erste Nacht. Wieder Schüsse in der Ferne. Ich wache auf, erschrocken wende ich den Kopf. Meine Nachbarn schlafen, ziehen die Nase hoch und schnarchen. Im Traum gibt einer Flüche von sich und ruft nach Granaten für den Minenwerfer. Dann murmelt er noch etwas vor sich hin und verstummt. Mein erster Gedanke: "harte Kerle die, wie kann man nur dabei schlafen?"
   .....Die ersten Schüsse in MEINE Richtung. Ich hocke mich nieder und beobachte unbewegt die kleinen Staubfontainen zwei Meter vor mir. Das Blut steigt mir zu Kopfe und drückt auf die Trommelfelle. Die Knie werden weich, ein kalter Schauer läuft mir über den Körper. Die Hände werden gefühllos und im Kopf scheint weniger als Brei zu sein. Da ist totales Vakuum ohne einen einzigen Gedanken. Ich "sichere" die schon entsicherte MPi und versuche zu schießen. Verwundert darüber, dass nichts passiert, richte ich mich auf und schaue verständnislos auf die Waffe. Irgendwer reißt mich herunter und wirft sich über mich. Die kleinen Fontainen tanzen schon direkt vor meiner Nase. Eine Explosion ganz nahe. Erdklumpen trommeln wie Hagelkörner auf meinen Helm. Die Blase entleert sich ohne mein Zutun. Die unangenehme feuchte Wärme in der Leistengegend holt mich in die Wirklichkeit zurück. Um mich herum Schüsse und Flüche. Alles zu Ende. Ich schäme mich aufzustehen. Schande! Ich möchte mich erschießen. Niemand kritisiert mich. Der Kamerad, der mich gedeckt hat, schaut mich an, klopft mir schweigend auf die Schulter. "Alles in Ordnung?" - "in Ordnung..." Wir gehen weiter. Ich phantasiere, ohne die Augen zu heben.
   Wieder ist es Nacht.
   Wieder Schießerei in der Ferne.
   Und eine neue Entdeckung: DABEI KANN MAN SCHLAFEN.
  

- 2 -

  
   Das zweite Gefecht. Nur ein Gedanke bewegt mich - lieber verrecken als von der Angst überkommen lassen. Wieder der eklige Schauer über den Körper, wieder weiche Knie und ein unwahrscheinlich weicher Boden, wieder die Staubfähnchen vor den Augen. Aber ich kann schießen! Ich kann darüber nachdenken, wohin und warum ich schieße. Und wenn Du dich vollkommen ablenkst und vergisst, dass auch auf dich geschossen wird, dann gleicht dass einer Art Glücksspiel. Ich kann erkennen, von wo geschossen wird und mein Feuer dorthin lenken. Ich kann darüber nachdenken, dass es günstig wäre eine Gewehrgranate dahin zu schicken, und dass es wegen einer besseren Schussposition besser wäre, dort hinter die Bodenwelle zu springen.
   Blut eigener Leute. So anders, hellrot und dunkel, wässrig und dickflüssig, nicht zu vergleichen mit den künstlich-dunkelroten Lachen die man in Filmen gesehen hat. Ich stelle fest, Blut hat einen GERUCH der manchmal eindrucksvoller ist als sein Aussehen.
   Und weiter ... Da ist ein mit nichts vergleichbarer süßlich-ätzender Geruch von verwesenden Körpern, der mir später (sehr viel später) wieder einfiel - beim Riechen von Gesichtswasser, beim Schnuppern an Proben auf dem Basar, im inneren unbekannter Autos, im zufälligen Lufthauch vom Körper eines Menschen in einer sich drängenden Menge, an Teerkesseln auf dem Bau, in der frisch renovierten Wohnung von Freunden....
   Der Erste.... Ein hochgewachsener glatzköpfiger Mann im schwarzen Wettermantel und Tarnhose. Wir standen uns plötzlich auf drei Meter Entfernung in der von uns gehaltenen Hauseinfahrt gegenüber. Ein einzelner Schuss aus seiner Kalaschnikow in meine Richtung. Vorbei. Mein kompletter Feuerstoß quer durch seine Brust. Gemischte Gefühle: Erleichterung und Besorgnis, und ein riesiger nicht verschluckbarer Schleimkloß in der Kehle. Und wieder das Gefühl der weichen Erde....
   Die Träume DORT... Meist der Sturz in ein bodenloses schwarzes Loch und schweres Herauskommen, wenn die eine Hirnhälfte noch schläft, während die andere versucht zu erkennen wer und wo du bist. Nach dem Erwachen eine kurze Welle der Verzweiflung die dann vom endgültigen Zu-sich-selbst-kommen abgelöst wird. Manchmal träume ich von Schnee bedeckten ganz weißen Bergen, die ich so für mich als Alpen bezeichne. Darauf unendlich viele schreiend bunte Schlitten mit zahllosen Mickymäusen darauf. Nicht weniger bunte Luftballons mit Körben darunter werfen riesige Gummitiere - Giraffen, Zebras, Tiger, Papageien - herunter, die als Abpraller bis fast zu den Wolken nach oben fliegen. Und dieses ganze hell leuchtende Karussell dreht sich unter dem Klang einer wunderschönen klassischen Musik um mich herum. Am Himmel, der einmal türkisfarben, dann wieder rosafarben ist, tummeln sich, einander ablösend, riesige unbekannte, lächelnde Gesichter. Ein- und dieselben Szenen wiederholen sich bis zum überdruss mehrmals jeden Monat. Haargenau - eine Sammlung klassischer schizoider Träume. Krieg kommt darin nicht vor.
   Und noch eine Nacht. Stille! Es wird nicht geschossen. WARUM diese Stille?! Da kann man doch nicht einschlafen! Die drückende Abwesenheit jeglicher Geräusche gibt keine Ruhe. Wenn es aber so still ist, dann kann man wenigstens selbst irgendein Hintergrundgeräusch erzeugen. Ich schalte den Taschenempfänger ein. Mag er nur das Rauschen des äthers von sich geben. Seit dieser Zeit kann ich bei beliebigem Lärm einschlafen (eingeschalteter Fernseher, Unterhaltungen im Zimmer, Musik, beliebiger Lärm). Bei völliger Stille schaffe ich es nicht.
   Und dann noch diese Melodie von Morsezeichen im Kopf. Das funktioniert bei Schießereien als eine Art "Kugelzähler". Das taucht ungebeten aus dem Unterbewusstsein auf, so eine Art Gruß aus der Dienstzeit vor acht Jahren. "Fünf-jahr-plan-ma-cher" - Feuerstoß aus 5 Schüssen, "Che-mie-la-bor" - 4 Schüsse, "Kei-ne-Angst-vor-dem-grauen-Wolf" - 7 Schüsse, "dun-kel-blau" - 3 Schüsse.
  

- 3 -

  
   Zeit bewirkt Vieles. Automatismus tritt an die Stelle des Denkens. Ich lerne Schießen. Schießen und treffen. Keine Zweifel, besonders dann, wenn für das "Denken" Bruchteile einer Sekunde nötig sind. So muss es sein, und ich bin nicht der Erste. Gefühle und Gedanken, die man mehrheitlich vertreiben oder ganz tief verstecken möchte, tauchen später auf. Auch die Tränen. Solche Tränen, die aus trockenen Augen und einem dicken Kloß bestehen, der im Halse steckt und einen weder stöhnen noch ein Wort sagen lässt.
   Grenzerlebnis Explosion. Die schwankende Welt nimmt alle Farben der Hölle an. Um dich herum geht etwas vor sich, aber die Welt ist tonlos, nur hunderte Hochspannungsleitungen beginnen irgendwo in der Tiefe deines Hirns zu singen. Der Kopf scheint in hunderte pfeifender Splitter auseinander zu platzen. Heiße Ströme fließen über Hals und Wangen. Eine überströmende schwarze Leere trägt alle Empfindungen ins Bodenlose davon.
   Später - viel später werde ich zu Hause sein. Da sind die alten Freunde und Bekannten, die ich dann mit anderen Augen sehen werde, und es wird ein ruhiges, sinnloses Leben sein, in dem niemand - NIEMAND - erfahren wird, wo ich war. Und ich werde so tun, als könnte ich mit dem rechten Ohr ebenso gut wie mit dem Linken hören. Die einzige Auszeichnung wird tief unter Büchern versteckt liegen, unter Büchern, die von niemandem je gelesen werden. Dann wird es eine Arbeit geben, neue Arbeit und neue Menschen um mich herum. Dann kommt die Zeit, da werde ich auf einem Schießstand blöde lächelnd auf meine Scheibe schauen und mir keine Rechenschaft darüber ablegen, wieso ich mich einmal SO schießend gewehrt habe. Ungläubig werde ich es noch einmal probieren, mit dem gleichen Ergebnis, und erst dann werde ich verstehen, dass dieses Teil meines Ich gestorben, erbarmungslos von der Zeit getilgt ist.
   Ich werde zum Feigling. Der Selbsterhaltungstrieb fängt an, Rache für die Zeit zu nehmen, wo er zerquetscht und vergessen war. Er wird seine Stimme erheben mit Fieberschauern und Herzklopfen, mit finsteren Gestalten, die am Abend in der Gasse entgegen kommen, oder beim Zahnarzt ...
   Und in der Nacht kommen Träume. Das sind jetzt neue Träume, in denen keine "Alpen" und keine Mickymäuse vorkommen. In den Träumen wird Krieg sein. In den Träumen werden die Gesichter derer kommen, die dort zurück blieben. Lebende Gesichter glücklicher Menschen mit vom Leben gestalteten und verwirklichten Träumen. In den Träumen werde ich Andrjuscha und Sanjka treffen, und die werden mir erzählen, dass sie Zwillinge geheiratet haben; die selbst auch beide Zwillinge zur Welt brachten. Dann werde ich schreien wollen: "Was redet ihr für Blödsinn, Jungs, euch gibt es doch GAR NICHT mehr!!!" Doch ich werde schweigen, und sie werden mir erzählen, dass ihre Kinder auf dem Platz Rad und Karussell fahren. Ich werde hinschauen und sehen, dass sich mitten auf dem Hof, mit seinen Ketten klirrend, ein LEERES Karussell dreht und rundherum zwei Dreiräder mit leeren Sätteln kreisen.
   Im Traum werde ich Mischka Gajev treffen. Der wird mir erzählen, dass er jetzt Zoodirektor ist, und er will mir seine Tiere zeigen.
   Und wir werden an LEEREN Käfigen vorübergehen.
   Aber, das Leben geht seinen Gang und schenkt uns seine sinnlosen Freuden und Leiden, hinter denen die Gegenwart in die geheimsten Ecken des Gedächtnisses zurück treten wird. Daraus wird sich die zweifelnde Frage erheben: "Ja, hat es denn das alles wirklich gegeben?"
   ...Und nur das Kettenklirren des rotierenden leeren Karussells wird im Traum darauf eine Antwort geben...
  

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